Die estnische Sprache
Die Sprache in Estland gehört zu den finnougrischen Sprachen, wobei die zahlreichen feindlichen Besatzungen ihre Spuren in der estnischen Sprache hinterlassen haben. So finden sich viele Worte aus dem Nieder – und Hochdeutschen, aber auch schwedische, russische und lettische Einflüsse sind erkennbar, ohne das die estnische Sprache ihre finnougrischen Wurzel verloren hätte. Gespräche unter Finnen und Esten sind ohne grössere Probleme durch die Ähnlichkeiten in der Sprache von beiden Nationalitäten zu führen.
Die estnische Sprache verwendet das lateinische Alphabet mit 32 Buchstaben, benutzt keine Artikel, hat 14 Fälle und die Wortstellung innerhalb eines Satzes ist relativ frei, ohne das der Sinn des Satzes sich verändert. Die Sprache benutzt im Gegensatz zur indo-germanischen Sprache 9 Vokale, die Buchstaben ä, ö, ü,õ ergänzen die bekannten Vokale a, e, i, o, u.
Die schriftliche Form der Sprache wurde hauptsächlich durch ausländische Geistliche in der Reformationszeit initiiert und so wurde im Jahr 1523 das erste Buch in estnischer Sprache gedruckt.
Es war der heute noch in Fragmenten erhaltene protestantische Katechismus von Johann Koell, der 1532 Kaplan der Heiligen Geist-Kirche in Tallinn war. Es sollten aber noch viele Jahre vergehen, bis die erste Zeitschrift in estnischer Sprache für die Bevölkerung zur Verfügung stand. Erst im Jahr 1766 erschien die wöchentliche Zeitschrift „Lühike Öpetus“, obwohl sich seit dem Einfall der russischen Truppen und der Besetzung Estlands im Jahr 1710 die Lebensumstände für die Menschen im Land stark verändert hatten. Die Bemühungen um Bildung und den Erhalt der eigenen Kultur konnten nur heimlich weiter vorangetrieben werden. Immer mehr Menschen lernten Lesen und Schreiben und entwickelten dadurch ein stärkeres Gefühl der Unabhängigkeit gegenüber ihren russischen Feinden, die sich durch die zunehmende Bildung der Esten in ihrer Macht über das Land bedroht fühlten.
Die Zivilbevölkerung gründete Bürgerinitiativen und bemühte sich in Chören, Musik – und Bildungsvereinen um ein kulturelles Netzwerk zum Erhalt ihrer Muttersprache als Kommunikationsmittel. Die eigene Sprache trug in erheblichen Masse zur Stärkung des kulturellen Selbstbewusstseins und des nationalen Gemeinschaftgefühls innerhalb der estnischen Bevölkerung bei. So erklärt sich vielleicht auch die unglaubliche Zahl von 300.000 Esten, die sich 1988 auf dem Sängerfestplatz in Tallinn zusammen fanden, um ihre von den Russen verbotene Nationalhymne als gemeinsamen Protest gegen die feindliche Besetzung ihres Landes anzustimmen. Nicht zuletzt haben die Menschen in Estland durch ihren geschlossenen Protestgesang in ihrer Muttersprache ihre staatliche Unabhängigkeit erneut durchgesetzt.