Estland
Die nordeuropäischen Länder Estland, Lettland und Litauen sind unter dem Begriff „Baltische Staaten“ zusammengefasst, wobei Estland mit ca. 45.000 qkm Fläche und 1,4 Millionen Einwohnern das kleinste der drei baltischen Länder ist. Lettland hat eine Landfläche von 65.000 qkm und etwa 2,25 Millionen Einwohner, Litauen ist flächenmässig nicht viel grösser als Lettland, hat aber mit 3,33 Millionen Menschen erheblich mehr Einwohner.
Die drei baltischen Länder blicken in weiten Teilen ihrer Geschichte auf eine ähnliche Vergangenheit zurück. Die gemeinsame Leidenszeit war von feindlichen Angriffen und wechselnder, Jahrhunderte andauernder Fremdherrschaft durch den Deutschen Orden, Schweden, Polen und Russland geprägt. Die meisten Menschen im polnisch beeinflusste Litauen gehören der katholischen Glaubensgemeinschaft an, die überwiegende Zahl der Einwohner in Estland und Lettland folgt seit der Zeit der Reformation durch die Besetzung des Deutschen Ordens der christlichen evangelisch-lutherischen Kirche. Allerdings ist in Estland die Anzahl konfessionsloser Menschen stark gestiegen und der Glaube wird im Gegensatz zu den beiden anderen baltischen Ländern nur noch von wenigen Einwohnern des Landes praktiziert.
Das Jahr 1918 hatte für Estland, Lettland und Litauen eine besondere Bedeutung, denn begünstigt durch die Schwächung und letztliche Abdankung des russischen Zaren Nikolaus II. erklärten sie nacheinander – Litauen machte den Anfang – zum ersten Mal ihre staatliche Unabhängigkeit von den Besatzungsmächten und verkündeten ihre nationale Eigenständigkeit, die sie bis zum zweiten Weltkrieg behalten sollten.
1940 wurden die Baltischen Staaten erneut gewaltsam von der sowjetischen Armee übernommen, was Deutschland ebenfalls zu neuen Kriegshandlungen bewog und ab1941 die Macht im Baltikum
übernehmen liess. Der Sommer 1944 brachte dann die endgültige Entscheidung und die Baltischen Länder wurden zwangsweise in die Sowjetunion eingegliedert.
Es folgten 50 Jahre Unterdrückung und repressive Fremdbestimmung, in denen die ehemals unabhängigen Länder nur im Verborgenen für den Erhalt ihrer nationalen Identität und kulturellen Traditionen kämpften. Im Jahr 1989 versammelten sich mehr als 2 Millionen Menschen aus allen drei baltischen Ländern, um in der sogenannten „Baltischen Kette“, die von Tallinn über Riga nach Vilnius führte, gegen die russische Besatzung und für die Unabhängigkeit im Baltikum zu demonstrieren. Bereits 1988 hatten in der estnischen Hauptstadt Tallinn Hunderttausende Esten in einer „Singenden „Revolution“, in der sie ausschliesslich estnische Volkslieder und die ebenfalls verbotene estnische Nationalhymne sangen, gegen die Fremdherrschaft protestiert. Letztlich gewannen die drei Baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen durch diesen friedlichen, gemeinsamen Protest nach einem letzten, vergeblichen russischen Putschversuch im Jahr 1991 die Anerkennung ihrer staatlichen Unabhängigkeit und verwalten ihre Länder seitdem erfolgreich eigenverantwortlich. Alle drei Staaten sind seit 2004 Mitglieder der EU und traten im gleichen Jahr der NATO bei. Auch der Beitritt zum Schengener Abkommen erfolgte für die Baltischen Länder 2004, die Grenzkontrollen wurden aber erst im Jahr 2007 abgeschafft, so das heute Touristen im gesamten Baltikum reisen können, ohne lästige Grenzkontrollen über sich ergehen zu lassen oder ein Visum zu benötigen. Nur wer auf seiner Rundreise durch das Baltikum auch nach Russland einreisen möchte, benötigt ein Visum, das er frühzeitig bei einem russischen Konsulat in seinem Heimatland beantragen sollte, denn die Bearbeitung des Visum-Antrags dauert in der Regel mehr als 2 Wochen und erst 48 Stunden nach Ausstellung ist das Visum für eine Einreise nach Russland gültig.
Die meisten Touristen bereisen das Baltikum jedoch, um die wunderschönen Naturlandschaften und Nationalparks zu geniessen. Viele Reiseberichte über die Baltischen Staaten locken sportlich engagierte Urlauber, die Geschichte des Baltikums zum Beispiel auf einer Radtour kennen zu lernen. In Litauen lohnt sich unter anderem der Besuch des bekannten Ferienortes Nidden in der Nähe der „Grosse Düne“ und der Strände auf der Kurische Nehrung, wo man noch günstig Urlaub machen kann. Aber auch kulturell Interessierte finden in Litauen eine Vielzahl an architektonischen und geschichtlichen Sehenswürdigkeiten, die das beschwerliche Leben der vergangenen Besatzungsjahre veranschaulichen.
Lettland ist durch seine Hauptstadt Riga ein beliebtes Reiseziel für ausländische Touristen. Ähnlich wie in der estnischen Hauptstadt Tallinn wurde auch die Altstadt Rigas 1997 zum Weltkulturerbe der UNESCO ernannt, um die Pflege der gut erhaltenen historischen Gebäude zu sichern. Aber die Stadt Riga bietet nicht nur zahlreiche herausragende Bauwerke im Jugendstil, sondern auch wunderschön angelegte Parks und jede Menge kulturelle Veranstaltungen, die ihren Besucher den Urlaub so angenehm wie möglich zu gestalten. Jüngere Touristen kommen nach Lettland wegen des ausschweifenden Nachtleben in der Hauptstadt, das nun wirklich keine Wünsche offen lässt. Nicht umsonst heisst es von Riga, sie sei eine Stadt, die „niemals“ schläft.
Estland ist besonders bekannt für seine Unzahl an Naturschutzgebieten, den bezaubernden Inseln und grossen Seen, die naturbegeisterten Urlaubern eine Fülle an Sport – und Freizeitaktivitäten ermöglichen. Da Estland bis auf seine grösseren Städte wie Tallinn, Tartu oder Pärnu in weiten Teilen des Landes dünn besiedelt ist, findet man dort noch viel unberührte Natur mit geschützten Tieren und Pflanzen, die die Menschen in Estland mit besonderer Hingabe und Pflege zu erhalten bemüht sind.
In der einwohnerstarken Hauptstadt Tallinn hingegen pulsiert das wirtschaftliche und kulturelle Leben in allen Bereichen und erfüllt die unterschiedlichsten Urlaubsvorstellungen. Besucher dieser aufregenden Stadt können mit einem günstigen Flug für einen Kurztrip anreisen und nach einer ausgiebigen Shoppingtour in den modernen Shopping-Centern die estnische Küche in einem der zahlreichen Restaurants kennen lernen, bevor sie Nachts in der Hauptstadt die Diskotheken und Pubs unsicher machen. Gäste, die sich für die Geschichte Estlands interessieren sollten etwas mehr Zeit mitbringen, denn die Fülle an Sehenswürdigkeiten und historischen Bauwerken ist in den Städten Estlands enorm und kaum bei einer Reise nach Estland zu schaffen. Da die Menschen in Estland sehr um den Erhalt der estnische Tradition bemüht sind, präsentieren sie das ganze Jahr über in zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen ihre estnische Volksmusik und Volkstanz, der grundsätzlich in traditioneller estnischer Tracht stattfindet. Diese Veranstaltungen stehen oft in Verbindung mit traditionellen Feiertagen oder Festen wie z. B. dem in ganz Estland bekannten und beliebten Altstadtfest in Tallinn. Dort wird dann traditionelle Handwerkskunst auf bunten Märkten unter freiem Himmel angeboten, typisch estnische Spezialitäten können probiert werden und man lernt die estnische Bevölkerung von ihrer fröhlichen Seite kennen. Die Zeit, um die Mentalität der Menschen in Estland kennen zu lernen sollte sich jeder Urlauber nehmen, denn abhängig von der Jahreszeit kann man einen sehr unterschiedlichen Eindruck gewinnen. Die Esten sind im Sommer nämlich besonders ausgelassen und unternehmungslustig, wie man z.B.an den Besucherzahlen in der Sommerhauptstadt Pärnu erkennt. Dahin verschlägt es bevorzugt die estnische Jugend, um an den Sandstränden der Ostsee ihre Freizeit zu geniessen und am Abend keine Party in den angesagten Nachtclubs zu versäumen. Die estnischen Familien zieht es eher in die Naturschutzgebiete und Nationalparks, um sich vom hektischen Alltag in der Hauptstadt Tallinn beim Angeln oder Wandern zu erholen.
Der Winter in Estland ist lang und der Himmel meistens grau. Das schlägt eigentlich „Jedem“ aufs Gemüt und deshalb bleiben die Menschen in Estland in dieser Jahreszeit gerne zu Hause, geniessen einen gemeinsamen Saunabesuch und sitzen am Abend zusammen, um den „sagenhaften Geschichten“ der Älteren zuzuhören. Da das Klima in Estland in der Regel für reichlich Schnee sorgt, freuen die Esten und auch viele Touristen sich auf ausgiebige Skiwandertouren, denn Skilanglauf ist eine beliebte Sportart bei der estnischen Bevölkerung. Die kleine Stadt Ötepää in der Nähe der Universitätsstadt Tartu ist ein bekanntes Wintersportzentrum, in dem die Weltcup-Rennen im Skilanglauf stattfinden und Heerscharen von Touristen und Einheimischen anziehen, die nicht nur diesen spannenden Wettbewerb verfolgen, sondern auch selber die zahlreichen Langlaufloipen für ihr Hobby nutzen.
Der Frühling in Estland sorgt dann wieder für bessere „Laune“ und die Unternehmungslust steigt. Viele Esten und erholungsbedürftige Touristen nutzen diese Jahreszeit oder die herbstlichen Monate für einen Kururlaub in den Seebädern Estlands. Ob in Pärnu, Haapsalu oder auf der Insel Saaremaa in der Kurstadt Kuressaare, überall ist das Angebot an modernen Kur – und Wellnessinstituten auf den Bedarf der Kurgäste ausgerichtet, die durch die verschiedenen Anwendungen mit dem bekannten Ostsee-Heilschlamm oder naturbelassenen Moorpackungen wieder entspannt ins Arbeitsleben zurückkehren können.
Über Estland gibt es viel Wissenswertes zu berichten und man könnte einen nahezu endlosen Reiseführer schreiben, um diesem Land gerecht zu werden. Wir haben uns bemüht, dem Leser möglichst umfangreich alle nützlichen und interessanten Informationen zusammenzutragen. Am Besten lernt man ein fremdes Land und die Menschen, die dort leben, aber kennen, wenn man sich vor Ort einen eigenen Eindruck verschafft.